33. Bu-Sabomnim Workshop 2019

Lebenslanges trainieren und Kurzurlaub

Gedanken nach dem 33. Bu-Sabomnim Lehrgang, 1.3.-3.3.2019 in Seligenstadt
Lebenslanges trainieren - auf den ersten Blick klingt das wie eine harte Verurteilung vor Gericht. Doch eigentlich ist das ein Kernpunkt von Shinson Hapkido, den ich aus meiner eigenen Erfahrung nur bestätigen kann. Von außen betrachtet könnte man meinen, dass man nach drei bestandenen Danprüfungen und fast drei Jahrzehnten Trainingserfahrung endlich einmal ein zufrieden stellendes Niveau erreicht hat. Doch dem ist nicht so. Ähnliche Erfahrungen haben wir vermutlich alle schon gemacht, denn (1) einmal Erreichtes bleibt nicht für immer erhalten, sondern man muss weiter arbeiten um auf diesem Niveau zu bleiben, (2) es gibt immer wieder mal überraschende Rückschritte und/oder körperliche Einschränkungen, mit denen man umgehen lernen muss und (3) schließlich brauchen wir neue Herausforderungen, um uns weiter entwickeln zu können.
Diese Erkenntnisse ziehen sich wie ein roter Faden durch das Ausbildungsprogramm von Shinson Hapkido. Ich kann mich noch gut an meine Gelbgürtelprüfung erinnern. Danach hatte ich das Gefühl, das Prüfungsprogramm und somit Shinson Hapkido ganz gut drauf zu haben - ein Schluss, den ich aus heutiger Sicht nur meinem jugendlichen Leichtsinn zuschreiben kann. Bald danach kamen die ersten neuen Su-Techniken, das erste Mal freier Fall - und mit dem Aufkommen auf der Matte war der Leichtsinn erst mal aus mir herausgeklopft worden. Richtig Fallen ist ganz schön schwierig! Mit der Zeit verstand ich wie es sein sollte; manchmal gelang - und gelingt es - gut, manchmal weniger. So ging es dann weiter im Shinson Hapkido, und eigentlich hat sich bis heute nichts daran geändert.
Seligenstadt: weit weg von Wien...
Nach der Prüfung zum 3.Dan war ich 2014 erstmals im schönen Dojang Il Shim in Seligenstadt; leider hat es ein paar Jahre gedauert bis es dann heuer zum zweiten Mal so weit war. Der Alltag hat mich doch recht fest im Griff, und so überlegt man länger ob man für ein Wochenende einfach mal 700 Kilometer weit reist. Herausforderungen sind gut, aber im Jahr 2014 fühlte ich mich von der Fülle an neuen Bewegungen richtiggehend erschlagen. So gut es geht dokumentieren und danach dann zuhause üben war damals meine Devise. Mittlerweile kenne ich das Ausbildungsprogramm, aber es gab trotzdem ein weiteres Mal ein Déjà vu: die neuen Techniken sind nicht einfach... Manches geht auf Anhieb ganz gut, bei anderen Bewegungen hatte ich eher das Gefühl bei meinen Partnern in eine Wand zu laufen. Aber Herausforderungen sind positiv und sie helfen mir beim Weiterentwickeln. So konnte ich in den drei Tagen die eine oder andere neue Idee mitnehmen. Alleine geht natürlich nicht, und ich bin Sonsanim, den unterstützenden Meistern und alle andern Lehrgangs-TeilnehmerInnen für ihre Unterstützung an diesem Wochenende sehr dankbar.
Mit der Einstellung an sich zu arbeiten, Neues zu erlernen und Wissen zu vertiefen kamen insgesamt 32 Bu-Sabomnim nach Seligenstadt. Eigentlich lustig, dass ich mit Mitte vierzig in diesem Kreis zwar nicht das Nesthäkchen, aber doch einer der Jüngsten war; der älteste Teilnehmer war sogar Mitte siebzig. Alle Teilnehmer sind schon sehr lange dabei: grob gerechnet haben sich an diesem Wochenende wohl an die 1.000 Jahre an Erfahrung in Shinson Hapkido auf der Matte bewegt. Abgesehen von diesem Erfahrungsschatz gibt es auch noch andere Dinge, die diesen Lehrgang besonders machen: alle kennen einander, man ist auf einer Wellenlänge und: man muss den anderen nichts mehr beweisen - so schön und treffend hat es einer der Teilnehmer formuliert.
...aber es zahlt sich aus? 
Mit dieser gemeinsamen Basis haben wir dann fast das ganze Ausbildungsprogramm zum 4.Dan durchgemacht. Mit viele neuen Bewegungen und der Korrektur mancher alter Fehler und Gewohnheiten (oder zumindest der Einsicht, dass da was zu ändern ist) gingen die drei Tage flott zu Ende. "Reduzieren Sie um 50 Prozent", hatte Sonsanim als Lehrgangsmotto ausgegeben. Ich hatte den Eindruck, dass viele von uns dieses Motto richtig gut fanden, denn nach etlichen Jahren Training bzw. Leben hatte jeder körperliche "Gebrauchsspuren" mitgebracht. Doch sich nicht zu bewegen ist auch keine gute Lösung, und so hat jeder nach seinen Möglichkeiten trainiert - eine Teilnehmerin sogar sitzend am Mattenrand, nachdem sie sich leider am Sprunggelenk verletzt hatte. Und: ja, es macht immer noch Spaß sich zu bewegen, an Details zu feilen, sich weiter zu entwickeln. Neben dem eingangs Gesagten haben sich für mich noch zwei weitere zwei Erkenntnisse (wieder einmal) bewahrheitet: Die eine, banal und technisch: Vorbereitung zahlt sich aus. Wenn man vorher das Programm lernt/wiederholt, dann kann man mehr von dem Input am Lehrgang aufnehmen. Ansonsten ist man eher damit beschäftigt zu überlegen, was denn verflixt nochmal die Technik Nr. 3 war, um dann festzustellen, dass das eigentlich Nr. 5 war usw. Die andere Erkenntnis: körperlich ist man nach einem Lehrgang müde - die Gelenke rufen laut nach Pause, die Muskeln wollen sich regenerieren und kleinere Blessuren ausgeheilt werden - aber geistig und vom Ki her ist man fit wie nach einer Woche Urlaub. Daher werde ich sicher nicht wieder fünf Jahre bis zu meinem nächsten Besuch in Seligenstadt warten!
Norbert Teufelbauer, 3. Dan/ 10. Ki, Dojang Wien1