Danprüfung zum 2. Dan - Weil wir Anfänger sind

Weil wir Anfänger sind

Eindrücke zur Prüfung zum zweiten Dan

Danprüfung, dritter Tag. Vierter und letzter Bruchtest, vierter Versuch. Diesmal geht’s, diesmal geht’s. Ich denke an all die Trainings, in denen ich das geübt habe, an all die Tipps, die mein Lehrer mir gegeben hat. Doch die Vorbereitung ist vorbei, nur dieser Augenblick zählt. Los geht’s! Kihap, Jiggo Chagi, das Brett ist durch! Ohne nachzudenken nehme ich das zweite Brett der Trittkombination ins Visier. Wie auf Autopilot geht’s weiter: Kihap, Ganaarigi. Nach dem Tritt blinzle ich das Brett an. Es ist durch! Als ich realisiere, dass ich den letzten Bruchtest geschafft habe, fällt mit einem Mal die ganze Anspannung der letzten drei Tage, ja des letzten halben Jahres von mir ab. Volltrunken von diesem Gefühl taumle ich zurück an den Mattenrand und setze mich. Irgendwer klopft mir auf die Schultern. Ich spüre den Augenblick in all seiner Kraft und gleichzeitig ist alles wie in einem Traum.
Es ist nicht leicht, die Prüfung zum zweiten Dan zu beschreiben. Vielleicht mit Zitaten? Ich fange mal mit Arthur Schnitzler an, der einst schrieb: „Du fragst mich: Was soll ich tun? Und ich sage: Lebe wild und gefährlich!“ Ein wenig wild ist es schon, wenn man für so lange Zeit sein ganzes Leben der Danprüfung unterstellt und jede wache freie Minute entweder lernt oder trainiert. Und gefährlich auch, denn Garantie auf einen positiven Ausgang gibt es keine. Das macht die Momente bei der Prüfung unglaublich intensiv. So wünsche ich mir, dass die drei Tage vorbei gehen, weil die Spannung kaum auszuhalten ist. Und gleichzeitig möchte ich die Zeit anhalten und die Augenblicke bewahren. Klick, klick, klick, lauter kleine Polaroidfotos vor meinem inneren Auge. „Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke“, sagte ja auch Heinrich Böll.
So gibt es viele Augenblicke der Gemeinschaft: Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Moment, als wir im Vorraum des Dojangs stehen und darauf warten, zur schriftlichen Prüfung eintreten zu dürfen. Es ist der Zeitpunkt, bevor alles losgeht. Wir schauen uns gegenseitig an, flüstern uns hier ein letztes „Viel Glück!“ zu, drücken uns da nochmal schnell die Hand. Xavier Naidoo singt dazu: „Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen. Doch wir müssen geduldig sein, dann dauert es nicht mehr lang!“
Bei der Danprüfung gibts keinen fixen Plan, mit der man die Dinge angehen kann. Denn schließlich kommt alles anders als man denkt. So verletzen sich Marlene aus Köln und Lukas aus Dänemark jeweils an der Schulter und müßen den Rest der Prüfung einarmig bewältigen. Das machen sie übrigens grossartig, als ob sie genau das geübt hätten. Und so fällt mir John Lennon ein: „Life is what happens to you while you are busy making other plans.“ 
Die Prüfung zum zweiten Dan ist auch eine Erfahrung der Wiederkehr. Der österreichische Kabarettist Alfred Dorfer hat mal gesagt: „Wer einmal im Kreis geht, kann den Anfang von hinten sehen.“ So habe ich die Prüfung zum ersten Dan vor elf Jahren oft vor Augen. Vieles kommt mir bekannt vor, doch vieles ist ganz neu.
Denn die Danprüfung ist auch immer eine Anfängererfahrung: Hier gibts keine Routine, nichts ist so schon mal da gewesen. Und das ist gut so, denn wer ein Anfänger ist, spürt sich selbst, ist zwar haltlos, dafür aber frei. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt Hermann Hesse. Und mir kommt ein Lied der Band Virginia Jetzt in den Sinn: „Lass uns tanzen im Wind. Weil wir Anfänger sind!“

Lars Schäfer, 21. Ki, Dojang Wien.