Here and Now

Hier und jetzt

Es begab sich vor langer Zeit in China, dass ein Mönch den Sonmeister Joju (Chao-Chou 778-897) fragte: „Warum kam Bodhidharma nach China?“ Joju antwortete darauf: „Die Zypresse im Innenhof!“ Was für eine Antwort war das? Was war die Bedeutung dieser Antwort?
Und noch eine ähnliche Geschichte aus dem alten China: Ein Mönch fragte den Sonmeister Un-Mun (Yun-Men, etwa 892-949): „ Was ist Buddha?“ Un-Mun antwortete: „Getrocknete Scheiße auf einem Stock!“
Ich kann mir vorstellen, dass dieser Mönch eine andere Antwort von seinem Sonmeister erwartet hatte. Diese Antwort hat ihn wohl sprachlos gemacht und keinen Hinweis auf eine Bedeutung gegeben.
Als ich diese Geschichten zum ersten Mal hörte, dachte ich auch, dass sie keinen Sinn ergäben. Doch genau so funktionieren diese „Zen Rätsel“, auch Hwadu oder Gongan genannt: Sie machen keinen Sinn, wenn sie mit der gewöhnlichen Art zu denken zu lösen versucht.
Natürlich gibt es viele Arten, diese Geschichten zu erzählen und die Antworten der Meister zu deuten. So kommt man schnell zu philosophischen und sehr komplizierten Antworten. Zu kompliziert für mich.
Was aber, wenn die Antworten wunderbar einfach sind?
Nicht die Antwort zu erhalten, die man erwartet, kann in einem einen Entwicklungsprozess beginnen lassen. Ich denke, die Meister versuchen, ihre Schüler in die richtige Richtung zu weisen. Wenn also ein Schüler von der Bahn leicht abgekommen war, konnte der Meister ihm den Weg zeigen und wieder auf den richtigen Kurs bringen. Ob der Schüler dann diesem Weg folgt, ist seine Entscheidung.

Wenn der Schüler also fragt: „Warum kam Bodhidharma nach China?“, denkt sich der Meister wohl: „Zurück auf Kurs, mein Schüler, folge dem Weg!“ und gibt die Antwort: „Die Zypresse im Innenhof“. Denn das ist, was der Meister sieht, HIER UND JETZT! Auch wenn man die Frage „Warum kam Bodhidharma nach China?“ als eine Variante von „Was ist die Essenz von Son?“ versteht, auch dann ist die Antwort immer noch wunderbar. Denn Son ist Chong-Ki-Shin in perfekter Harmonie. Das bedeutet, nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu leben, sondern klar und einfach im hier und jetzt!
Ich denke, ebenso verhält es sich mit der Antwort „Was ist Buddha?“ und der entsprechenden Antwort „getrocknete Scheiße auf einem Stock!“ Denn das ist es, was der Meister sah im HIER UND JETZT.
In der alten Zeit gab es keine Toiletten mit fließendem Wasser. Also verwendete man einen Stock, um die Toilette zu reinigen. Dieser Stock wurde nach dem Gebrauch neben das Loch gelegt, mit einem angetrockneten Ende, bereit für die nächste Verwendung.
Ich denke, die alten Meister wollten ihren Schülern sagen: „Lebe im Moment, sei präsent und habe Respekt. Weine, wenn du traurig bist, lache, wenn du etwas lustig findest, trinke, wenn du durstig bist und schlafe, wenn du müde bist. Alle Dinge passieren im Moment. Du lebst im Moment, weil weder die Vergangenheit noch die Zukunft existieren. Ich wünsche dir, dass du den Tag nutzen kannst und glücklich im Moment leben kannst, hier und jetzt, nur bewegt von deinem wahren Herz (Maoumuro Umjigyora).“

Jørgen Løye Christiansen, Dojang Roskilde